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Professor Joseph Marshall Flint 1929

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¾ Portrait stehend, en face, seinen rechten Arm auf einem Marmorblock abgestützt, seine linke Hand mit dem Daumen in der Hosentasche eingehängt, das Haupt leicht angehoben, vom Betrachter weg in die Ferne blickend. Der Dargestellte trägt einen drei-teiligen braunen Anzug mit grauer Krawatte, eine goldene Uhrkette, an seinem rechten kleinen Finger einen Siegelring. Hintergrund als graue Fläche, lediglich durch Pinselstriche strukturiert, ausgeführt.

JQAW# P_1929_110
Öl auf Leinwand 136 x 96 cm
Signatur: John Quincy Ɑdams 29.
Yale University, USA Inv.Nr. 1930.666

Joseph Marshall Flint, 8.7.1872 Chicago bis 16.9.1944 Seal Harbor, Maine. Polyglotter Anatomie- und Chirurgie-Professor mit vielseitigen Interessen und Aktivitäten.
Joseph Marshall Flint wurde in eine Familie walisischer Immigranten in Chicago geboren. Sein Vater Francis F. war Baumeister, der nach dem verheerenden Brand der Stadt 1871 viel beschäftigt war und seinem Sohn eine Ausbildung an US Eliteuniversitäten ermöglichen konnte. 1891-1892 besuchte Joseph Marshall Flint die Universität Princeton, danach die University of Chicago, wo er 1895 mit einem Bachelor of Science graduierte. Er verblieb zu weiterführenden Studien in Chicago und veröffentlichte seine erste wissenschaftliche Publikation (Notes on the distribution of Bacillus Colis Communis); 1896 immatrikulierte an der John Hopkins Medical School, die er 1900 mit einem Doktorat (MD) abschloss. Bereits während seine Studienzeit zeigte Joseph Marshall Flint vielfältige Interessen: In Princeton und Chicago war er Mitglied der College Football Mannschaften, 1894-1897 fungierte er als Trainer (head coach) der Football Mannschaften der Butler Universität (Indianapolis) und der Stevens Point Universität (Wisconsin). 1899 sandte die John-Hopkins-Universität zwei Professoren (Simon Flexner und Lewellys Barker) auf die Philippinen, um Tropenkrankheiten zu studieren. Sie wurden von zwei Studenten begleitet: Flint und F.P. Gay. L. Barker und Flint reisten anschließend nach Indien, wo sie zahlreiche Pestkranke vorfanden und dies in einer Reihe von wissenschaftlichen Publikationen beschrieben. Nach seinem Abschluss des Medizinstudiums setzte Flint seine Ausbildung in Deutschland (Leipzig) fort. 1901 ging er nach Chicago, wo L. Barker als Anatomie Professor berufen worden war. 1902 folgte er einen Ruf als Anatomie Professor an die Universität in Berkeley, Californien, wo er bis 1905 tätig war. Während dieser Zeit war er auch Mitglied des Hospitaldienstes der US Marine mit Spezialisierung auf Tropenkrankheiten, was wegweisend für seine spätere Tätigkeit im Ersten Weltkrieg werden sollte.

Das Anatomiedepartment in Berkeley wurde von der Philantropin Phoebe Hearst, geb. Apperson, Witwe des Bergbauunternehmers und US Senators George Hearst (1820-1891) und Mutter des späteren Zeitungsmoguls William Randolph Hearst (1863-1951), finanziell unterstützt (sie war auch der erste weibliche Regent [Aufsichtsratsmitglied] der Universität). Flint machte die Bekanntschaft mit deren Nichte Anne Drusilla Apperson (1878-1970 s. deren Adams Portrait, Querverweise) und das Paar heiratete am 15.9. 1903 auf Phoebe’s Hearst Hazienda del Pozo de Verona, wo Anne Drusillas Eltern als Verwalter der 1000 ha großen Hazienda arbeiteten und Anne Drusilla in engem Kontakt zu ihrer Tante Phoebe und ihrem Cousin William Randolph aufwuchs. Flint nahm ein Sabbatical in 1905 um sich in Europa zum Chirurgen ausbilden zu lassen und verbrachte 1905 bis 1907 in Bonn, München und Wien. Es ist nicht bekannt, ob ihn Anne Drusilla nach Europa begleitete, sie blieb wohl eher in Kalifornien bei ihrer Tante zurück. Wahrscheinlich aber lernte Professor Flint bereits bei seinem Wien-Aufenthalt 1907 John Quincy Adams kennen und schätzen (etwa durch den Gynäkologen und Chirurgen Professor Ernst Wertheim, mit dem Adams befreundet war und den er 1909 während einer Operation portraitierte, s. Querverweise).

1907 folgte Flint einem Ruf an die Yale Universität in New Haven als John Slade Ely Professor of the Theory and Practice of Medicine, eine Stelle, die er 1908 antrat. Yale hatte bereits vorher einen Berkeley Kollegen Flints Dr. George Blumer rekrutiert, der 1910-1920 als Dekan der Medizinischen Fakultät in Yale diente. Diese Berufungen verfolgten das Ziel, auch in Yale die medizinische Ausbildung nach dem europäischen Modell zu professionalisieren und die Lehre Professoren mit Vollzeit-Stellen anzuvertrauen und die Ausbildung der Medizinstudenten an einer eigenen Universitätsklinik auch klinisch auf professionelles Niveau zu heben. Diese Professionalisierung, als „Whole-time System“ bezeichnet, war eine Bewegung, die in Amerika erst um 1900 einsetzte. Vormals waren Professoren nur in Teilzeit tätig, und verbrachten die meiste Zeit in ihren privaten Praxen und auch Spitalbetten, die der studentischen Ausbildung und der Anwendung neuer Behandlungsmethoden dienen konnten, waren extrem beschränkt. Eine Situation, die sowohl für die Lehre als auch die Patienten extrem unbefriedigend war. Ein frustrierter Patient beschrieb die negativen Folgen in einem Gedicht: „Dr. X doesn’t care. Dr. Y isn’t there. Dr. Z doesn’t dare“ (S. 559, A.E. Baue, Yale J Biol Med 51 (1978), 549-563) – „Ein Dr. schert sich nicht, ein anderer Dr. ist nicht da, ein dritter Dr. traut sich nicht“. Die Implementierung des „whole-time systems“ in Yale stiess aber trotz einer Anschubfinanzierung des General Education Boards auf vielerlei Schwierigkeiten: Die Yale Corporation stellte nur eine ungenügende Finanzierung für die neuen Vollzeitstellen zur Verfügung; das New Haven Spital, das als Uni-Klinikum dienen sollte, sah seine „karitative Mission“ durch die klinische Ausbildung gefährdet; und die niedergelassenen Ärzte (Chirurgen) sahen ihren Einfluss (und Einkommen) schwinden und reduzierten Patienten-Überweisungen an das Spital, was zu finanziellen Problemen führte. Auch wurde dem Anatomen Flint die Kompetenz als praktischer Chirurg abgesprochen. Die Reformbestrebungen waren also zäh und für alle Beteiligten eher frustrierend.

Wenig überraschend orientierte sich Flint daher auf neue Aufgaben und nach Europa. 1913 wurde er Chirurg am Athener Militärhospital Arsakelon während des 2. Balkankrieges (Griechenland-Bulgarien), der dem Ersten Weltkrieg vorausging. 1915 war Flint wieder in Europa, wo er als Chef-Chirurg im Französischen Hôpital No. 32b in Passy bei Veron diente. 1916 war er wieder in New Haven zurück, ging aber 1917 nach Kriegseintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wieder zurück nach Frankreich, wo er eine mobile Feldklinik, das Mobile Hospital No. 39, American Expeditionary Forces, France, auf die Beine stellte, eine Einheit, die als Yale Unit (von Yale finanziert und aus Mitgliedern der Yale Fakultät, Alumni, und Yale Studenten rekrutiert) bekannt wurde und erfolgreich das Fordistische Fließbandsystem auf die effiziente Behandlung verwundeter Soldaten anwandte (Behandlungszeiten pro Patient konnten so auf 45 Minuten reduziert werden). Flint kann also als Erfinder der M.A.S.H. (Mobile Army Surgical Hospital) Einheiten der US Army gelten, die in zahlreichen Kriegen vom 2. Weltkrieg bis Korea und Yugoslawien zum Einsatz kamen und durch Film und Fernsehserien bekannt wurden. Für seine Kriegsverdienste wurde Flint sowohl von der Amerikanischen als auch der französischen Regierung mehrfach ausgezeichnet (s. Auszeichnungen). Von Krankheit geschwächt kehrte Flint 1919 in die USA zurück. Nach dem Rücktritt von Dekan Blumer wollte auch Flint zurücktreten, verschob aber seinen Rücktritt auf Bitte des Yale Präsidenten bis auf den 2. Februar 1921. Neben den Schwierigkeiten der Einführung des Vollzeitsystems in Yale und mit dem New Haven Hospital, seiner geschwächten Gesundheit hat aber wohl auch eine substanzielle Erbschaft seiner Gattin Anne Drusilla nach dem Tode ihrer Tante Phoebe Hearst 1919, die es beiden ermöglichte, finanziell unabhängig zu leben, eine Rolle in Flints Rücktritt gespielt.

Das Ehepaar Flint übersiedelte nach Kalifornien, wo es im ererbten schloss-ähnlichen Ansitz Wyntoon nahe San Francisco Wohnsitz nahm und den Besitz mit mehreren Bauwerken erweiterte. Spannungen mit William Randolph Hearst, der das Testament seiner Mutter nicht anerkennen wollte, führte letztendlich dazu, dass das Ehepaar Flint von Hearst’s Anwälten bedrängt, das Anwesen 1925 an William Randolph Hearst für eine ansehnliche Summe verkaufen musste (s. auch den Katalogeintrag von Anne Drusilla Apperson-Flint). Bereits 1924 beantragte das Ehepaar Reisepässe und schiffte sich nach Europa ein, wo es in der Schweiz Wohnsitz nahm und Europa bereiste. Trotz geschwächter Gesundheit (zu seinem aus dem Ersten Weltkrieg heimgebrachten Lungenleiden kam auch Diabetes hinzu), war Joseph Flint weiterhin wissenschaftlich aktiv. 1931 verfasste er einen kunsthistorischen Beitrag über John Quincy Adams in der Zeitschrift The American Magazine of Art; seine letzten zwei medizinischen Fachpublikationen erschienen 1939 in England. (Eine komplette Bibliographie von Joseph Marshall Flint existiert nicht, sein Nachruf aus 1945 listet aber 47 Publikationen in Fachzeitschriften über den Zeitraum 1896 bis 1917 alleine, s. S.C. Harvey, March 1945, Yale J Biol Med 17 (4):503-515. Viele seiner Publikationen werden auch heute noch als relevant angesehen und zitiert, so z.B. sein bahnbrechender Artikel „The development of the lungs“ Am. J. Anat., 1906, 6:1-137, der von 35 rezenten Arbeiten auf ResearchGate zitiert wird.) Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kehrte das Ehepaar in die USA zurück und wohnte an der Ostküste. Joseph Marshall Flint starb 1944 auf dem Sommersitz der Flints in Seal Harbor auf der Insel Mount Desert in Maine, ein Ort, wo sich auch zahlreiche wohlhabende Emigranten aus Europa aufhielten (u.a. Dr. Alphons Rothschild - s. dessen Adams Portrait- der 1942 im benachtbarten Bar Harbor verstarb.

Auszeichnungen Joseph Marshall Flint (laut Prabook biographisches Lexikon und Princeton AW):
Officier de l’Instruction Publique, 17.2.1919 (Frankreich);
Distinguished Service Medal, 1.3.1919 (USA);
Citation (by General Pershing) for meritorious and conspicuous services, 19.4.1919 (USA);
Chair, medical board, Connecticut Council of National Defense (USA) bis 1921;
Fellow, American College of Surgeons (USA);
Member, American Association for the Advancement of Science (USA).

Das Portrait von Professor Flint ist mit 1929 datiert und ein charakteristisches Werk für den Spätstil des Künstlers, in dem der Hintergrund völlig abstrakt gestaltet wird und das Hauptaugenmerk auf die Charakterdarstellung der portraitierten Person gelegt wird. (Im Gegensatz zu Damenportraits war bei Herrenportraits auch keine besondere Gestaltung und Variation in der Darstellung der mittlerweile uniformen Kleidung in Form des dreiteiligen Anzugs mehr möglich.) Dieses Einfangen des Charakters und der Persönlichkeit ist Adams im vorliegenden Portrait besonders gelungen, das den selbstsicheren und energischen Charakter Professor Flints, der sowohl durch wissenschaftliche Arbeiten als auch durch seine Erfahrungen als Chirurg und Feldklinik-Leiter direkt an der Front während des Ersten Weltkrieges sozusagen „gestählt“ wurde, trefflich wiedergibt. Zeitgleich verfertigte Adams ebenso ein Portrait der Gattin Anne Drusilla Apperson-Flint. Die Flint Portraits sind wohl entweder in Europa (Schweiz oder Wien) oder eventuell auch in den USA entstanden, obwohl ein Besuch Adams in New Haven und Yale erst für den Jahreswechsel 1930/31 durch Quellen belegt ist. Das Portrait Prof. Flints gelange aber jedenfalls bereits 1930 per Widmung als Geschenk seiner Freunde und Kollegen in den Bestand der Yale Universität. Flint hat Adams auch für die 1930/31 entstandenen Portraits weiterer verdienter Yale Professoren (Harry Burr-Ferres 1930, Lafayette B. Mendel 1931) empfohlen, ein Auftrag, der in Folge zu zahlreichen weiteren Portraits von berühmten Persönlichkeiten in den USA, darunter unter anderem prominente Industrielle, den US Marine Minister, sowie Senator Reed, führte.

Verwendete Literatur:
Arthur E. Baue, Joseph Marshall Flint and the Whole-Time System at Yale, The Yale Journal of Biology and Medicine 51 (1978), 549-563.
Samuel C. Harvey, Joseph Marshall Flint, The Yale Journal of Biology and Medicine 17 (4) (1945), 503-515.
Joseph Marshall Flint '95 Obituary, Princeton Alumni Weekly 20.10.1944:17-18.
Joseph Marshall Flint, John Quincy Adams of Vienna, The American Magazine of Art 22(1):24-31 (1931).

Ausgestellt

Permanente Ausstellung: Dean’s Hallway, Yale Medical School, New Haven.

Literatur

APH, Werksverzeichnis JQA 1995, S. 231, Kat.#198, Abb.#133 (S/W).

Provenienz

Ankauf vom Künstler.
1930 Geschenk, gestiftet von Freunden und Kollegen, an Yale Universität Inv. Nr. 1930.666

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