John Quincy Adams, Werkschau John Quincy Adams, Bilder von John Quincy Adams

Nolly von Seemann 1912

Ganzkörperportrait, stehend in leichter Schrägansicht, den Kopf zum Betrachter gewandt. Die Dargestellte hat ihre Unterarme erhoben ist ist dabei, mit ihrer linken Hand einen langen weißen Handschuh, der beim Handballen offen ist, von ihrer rechten Hand zu streifen. Der Handschuh ihrer linken Hand liegt bereits vor ihr auf dem Boden. Sie trägt ihre dunklen Haare hochgesteckt und ein schwarzes Taftkleid mit weitem Ausschnitt das an der Hüfte breiter geschnitten ist und sich nach unten verengt. Der Oberteil des Kleides, der die Arme bedeckt, ist aus durchsichtigen schwarzem Taft. An der Taille trägt sie eine große rote Stoff-Mohnblume mit grünen Blättern. In Bildhintergrund ist eine weiße verglaste Türe, die großteils durch einen goldfarbenen Vorhang verdeckt ist, sichtbar.

JQAW# P_1912_060
Öl auf Leinwand 213 x 120 cm
Signatur: John Quincy Ɑdams 1912
Privatbesitz Österreich
Abbild: Privataufnahme

Leonie „Nolly“ von Seemann-Treuenwart, geb. von Morawitz, wiederverh. Harden, 17.10.1888 Wien bis 30.5.1944 Paris, ein selbstbestimmtes Leben bis in den Tod.

Leonie/Nolly wurde als Tochter des angesehenen Finanzmanns, Autors, und Präsidenten der Anglo-Österreichischen Bank Karl (auch Carl/Charles) von Morawitz (1846-1914) und der Marguerite (Margarethe), geb. von Frank (1886-1930) geboren. Sie hatte einen Bruder Edgar (1893-1945) sowie zwei Schwestern: Alice (verh. Seemann-Treuenwart, 1889-1917) und Thea (verh. Urban-Emmerich, 1891-1925) mit denen sie auch nach der Eheschließung regen Kontakt pflegte.

Am 28.10.1909 ehelichte Nolly (nachdem sie zum evangelischen Glauben konvertiert war) in der Lutherischen Stadkirche Wien „Ferry“ Franz (Xaver Albin) von Seemann-Treuenwart (1879 Wien - 1953 Rio), Oberleutnant im Husarenregiment Nr.4 und später (ab 1914) Hauptmann des Generalstabs, Sohn des Vizeadmirals Karl Ritter von Seemann-Treuenwart (1837-1925). (Wie der Name andeudet, war die Familie ein sogenannter Militäradel -- Offiziere die auf Grund besonderer Verdienste, oder nach einer langen Karriere beim Militär vom Kaiser nobiliert wurden. Als Adelsnamen nahmen diese bevorzugt kaisertreue Bezeichnungen –wie Treuenwart- an. Der Bauernsohn Wenzel Franz Seemann, der Großvater von „Ferry“, war General-Auditor der k.u.k. Armee wurde 1854 von Kaiser für besondere Verdienste nobilitiert.) Die Verbindung der Familien von Seemann und von Morawitz wurden durch die spätere (1914) Heirat von Nolly’s Schwester Alice (1889-1917) mit dem Bruder von Ferry, „Aly“ (Albin Heinrich Maria) von Seemann-Treuenwart (1881-1961) noch enger. Solche Ehen zwischen Geschwistern zweier Familien waren in der Monarchie weitverbreitet (auch zwei Schwestern von Adams heirateten zwei Brüder Teltscher), vor allem unter dem Adel und dem jüdischen Bürgertum, die sich im vorliegenden Fall verbanden, was wiederum nicht so häufig war. Einer der Gründe dürfte wohl gewesen sein, dass die Seemann’s als Militärs nur über bescheidene Einkommen verfügten („Schulden wie ein Stabsoffizier“ wurde zu einem geflügelten Sprichwort), die jüdische Famile von Morawitz aber sehr wohlhabend war. (Roman Sandgruber, Traumzeit für Millionäre, 2013, Styria, S. 407 berichtet daß Karl Morawitz um 1909/1910 ein Einkommen von rund 1 Million Kronen jährlich versteuerte (was ihn zum 22.-reichsten Wiener machte) und daß sein Nachlaß 1914 rund 30 Millionen Kronen –nach heutigem Geld weit mehr als 200 Millionen Euro-- betragen haben soll.)

Die jungen Eheleute Nolly und Ferry wohnten im repräsentativen Haus Seilerstätte 17 in Wien und während der Sommermonate in der Seevilla in St. Gilgen am Wolfgangsee, die Margarethe von Morawitz 1914 erworben hatte und 1918 an Aly von Seemann-Treuenwart, den doppeltem Schwager von Nolly, weitergab. Das Ehepaar war mit zwei Kindern gesegnet: einem Sohn Cary (Karl, ca.1910-1987, der bei einem Segelunfall --seiner liebsten Beschäftigung-- in Kanada verunglückte) und einer Tochter Evy (Ewa, 1912-2011, deren Erinnerungen, die in der Familie bewahrt und freundlicherweise für diesen Katalog geteilt wurden, eine wichtige Basis für diesen Beitrag lieferten).

Wie viele kaisertreue Offiziere kehrte Ferry traumatisiert vom Ersten Weltkrieg zurück, woran die Beziehung mit der lebenslustigen Nolly wohl zerbrach. Die Ehe wurde per Gerichtsbeschluß vom 18.2.1921 getrennt. Die Kinder verblieben beim Vater in Wien (Cary besuchte das Gymnasium Stubenbastei, Evy erhielt Privatunterricht und besuchte danach eine Privatschule) hielten aber den Kontakt zur Mutter aufrecht. Diese vermählte sich am 3.12.1924 in Wien mit dem sportlichen (Schifahrer und hervorragender Fechter -- er war Teilnehmer an den olymischen Spielen 1906 in Athen und 1928 in Amsterdam wo er jeweils 4. Plätze in Fechten errang) Zahnarzt und rumänischen Honoralkonsul in Karlsbad Dr. Martin Georg Harden (1876 Braila, Rumänien bis 1968 Monaco) und nahm bei ihrem zweiten Mann (es war auch seine zweite Ehe) in Karlsbad (Tschechische Republik) Wohnsitz. Ab 1927 lebte das Paar dann vorzugsweise in Monaco, wo Dr. Martin Harden bis 1935 eine Zahnarztpraxis betrieb und 1930 auch zum Zahnchirurgen von Fürst Rainier von Monaco ernannt wurde. Nolly wohnte aber auch in Paris und besuchte regelmäß Karlsbad, Wien und vor allem St. Gilgen, wo sie eine bekannte Persönlichkeit war (wie ein Eintrag im Gästebuch der 1986 Adams Ausstellung bezeugt, wo sich Besucher an sie erinnerten).

Die sich verdunkelnde politische Lage nach Erstarken des Faschismus und vor allem der „Anschluss“ (d.h. das Auslöschen Österreichs im März 1938) betraf auch die Familien Seemann und Morawitz in dramatischer Weise. Ferry von Seemann ging mit seiner zweiten Gattin Fanny (Franziska, geb. Anninger, 1879-1952) ins Exil nach Lateinamerika; beide verstarben in Rio de Janeiro. Aly, hatte in weiser Vorraussicht bereits 1933 die Lichtenstein’sche Staatsbürgerschaft angenommen und schützte so seine Familie vor Verfolgung. (Nolly’s Schwestern Alice und Thea waren bereits verstorben.) Nolly’s Bruder Edgar von Morawitz lebte ab 1927 bereits in Spanien, aber seine zwei Söhne mussten rassischer Verfolgung durch Flucht aus der Tschechischen Republik entfliehen. Nolly’s Kinder Cary und Evy waren (da aus einer sogenannten „Mischehe“) nicht direkt gefährdet, aber speziell Evy musste traumatische Erlebnisse im Freundeskreis von Deportationen bis zu Selbstmorden miterleben. Ihre Eltern sah sie zuletzt 1937/1938 und danach nie wieder. Martin Harden kehrte 1935 von Monaco nach Karlsbad zurück und flüchtete 1944 aus der Techoslowakei über die Schweiz zurück nach Monaco, wo er 1952 die Staatsbürgerschaft erhielt und 1968 hochbetagt verstarb. Es wahrscheinlich, daß Nolly und Martin sich um 1935 trennten und Nolly auch nach Martins Rückkehr nach Karlsbad weiterhin in Frankreich lebte. Zum Schicksal von Nolly zwischen 1938 und 1944 liegen ebenso keine Informationen vor. Bekannt ist, dass sie 1944 in Paris im Untergrund versteckt lebte bis ihr Versteck verraten wurde. Als die Gastapo Nolly verhaften wollte, setzte sie ihrem Leben mit Gift ein Ende. Wie ihr Leben, war auch ihr Tod selbstbestimmt.

Das Portrait der Nolly von Seemann, 1912 entstanden, muß für Adams von besonderer Bedeutung gewesen sein. Es wurde als Farbdruck bereits 1913 in den Westermanns Monatshelften publiziert, 1913 auch in Wiener Künstlerhaus (EL 58 1913/14 #2998) der Öffentlichkeit präsentiert und auch von Adams 1916 bei der Großen Berliner Kunstaustellung als einziges Zivilporträt (neben acht Kriegsbildern #1088 bis #1095) ausgestellt. Popelka (Katalog HGM 1961, S. 12) berichtet, daß es zwischen Adams und dem Kriegspressequartier bei den Vorbereitungen der Berliner Ausstellung zu schweren Differenzen gekommen sei, was Adams einen Verweis vom Heeresministerium eintrug (das entsprechende Schreiben, aus dem Pokelka zitiert, ist leider seither aus der Adams Akte des Kriegspressequartiers im Staatsarchiv verschwunden.) Es ist wahrscheinlich, dass das gegenständliche Zivilportrait der Nolly von Seemann, das als #229 „Bildnis der N von Seemann“ (Austellungekleber 2138 K auf der Rückseite des Bildes) in Berlin ausgestellt war, Teil dieses Konfliktes war, weil von keinerlei militär-propagandistischen Interesse, aber offensichtlich für Adams von hervorragender künstlerischer Bedeutung. Das Portrait ist sicherlich im Zuge der Bekanntschaft/Freundschaft zwischen Adams und der weiteren Famile von Seemann, die ja alle in St. Gilgen am Wolfgangsee einen Sommersitz hatten und begeisterte Segler waren, entstanden. In der Familie hat sich folgende Anekdote erhalten. Aly’s Sohn Peter war bereits in jungen Jahren ein ausgezeichneter Segler. Nach einer gewonnenen Regatta, soll Adams zu Aly von Seemann gesagt haben: „na Aly, jetzt muss Dein Sohn aber ein Boot bekommen, wenn er doch so gut segelt“, worauf der Vater dem Sohn sofort seine Segeljacht Frigg Sonderklasse S18 (Adams Boot „Jugend“ trug die Nummer S41) schenkte, was der dankbare Jungbesitzer des Bootes Adams zeitlebens hoch anrechnete und in der Familie weitererzählte. Das Adams Portrait der Nolly von Seemann ist weiterhin im Besitz der Seemann Familiennachkommen. Laut Familientradition hat Adams auch um 1920 Portraits von Nolly’s Schwester Thea Urban-Emmrich, sowie deren Söhne Hannes Edgar (1917-1943) und Hugo Karl (?-?) als „blue and brown boy“ gemalt. Diese Werke sind aber verschollen und wohl in der Kriegszeit oder im Zuge der Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei nach 1945 aus dem Prager Wohnsitz der Familie Urban-Emmrich verloren gegangen.

Ausgestellt

1913 Künstlerhaus Wien (EL 58 1913/14 #2998).

1916 Große Berliner Kunstausstellung Saal 4 #229

Literatur

APH Werksverzeichnis S.116, Kat.#84, Abb.#58 (dort mit 1913 datiert).

Provenienz

Die Dargestellte,
und Ihre Familiennachkommen.
Privatbesitz Österreich.

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