Baronin Ella Parnegg 1924
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Bildbeschreibung s. unten
JQAW# P-1924_020
Öl auf Leinwand, Abmessungen unbekannt aber wohl ca. 125 x 90
Signatur: John Quincy Ɑdams 24.
Unbekannter Privatbesitz, USA
Abbild: Farbbildpostkarte des Portraits mit eigenhändiger Widmung der Dargestellten an den Künstler, Künstlerhaus-Archiv Wien.
¾ Portrait in sitzender Stellung in Schrägansicht von links, das Haupt dem Betrachter zugewand, diesen direkt anblickend. Die Dargestellte hat ihre Beine überkreuzt und ihre Hände, die auf ihrem linken Oberschenkel ruhen, ineinander verschränkt. Sie trägt eine ärmelloses Goldlamee-Kleid, darüber einen hellgrauen Mantel, der an den Ärmeln mit grauem Pelz verbrämt ist, ihre braunen Haare sind kurz geschnitten und gewellt. Als Schmuck trägt sie eine einreihige Perlenkette, Perlenohrclips, sowie einen Perlenring. Die Dargestellte sitzt auf einer grauen Steinbank, über deren Rückenlehne eine grüne Deck mit hellgrünem Saum gebreitet ist. Im Hintergrund ist eine Parklandschaft und ein bewölkter grauer Himmel sichtbar.
Baronin Ella (Gabriella Mária Karolina Paulina) Parnegg, geb. Kövér de Gyergyószentmiklós (Kövér-Gyergyó-St.M iklós), wiederverh. Fodor, 1.4.1892 Tiszaföldvár (Ungarn) bis 7.9.1981 Los Angeles, ein Leben auf zwei Kontinenten.
Ella Kövér wurde 1892 in eine ungarische Adelsfamilie mit Armenischen Wurzeln geboren und römisch-katholisch getauft. Die Familie hiess ursprünglich Ákoncz, wurde 1780 nobilitiert und nahm den Namen der Ortschaft Gyergyószentmiklós (das heutige Gheorgheni in Rumänien), wo sie sich um 1700 angesiedelt hatten, an. Ella‘s Vater Miklós (1870-1930) war Schauspieler und Theaterdirektor, ihre Mutter Blanka, geb. Hieronymi (1873-1911) enstammte ebenfalls dem ungarischen Kleinadel und war insgesamt dreimal verheiratet. Über Ellas Kindheit liegen keine Quellen vor. Am 27.2.1915 ehelichte sie in Budapest den Wiener Industriellen Friedrich Edwin (Frigyes Ervin) Pollak von Parnegg (1871-1930), Gesellschafter der Textilfirma Hermann Pollak’s Söhne, Gutsbesizer (Gut Marienhof in Siegenfeld in Burgenland an der ungarischen Grenze) und sehr vermögend. Dies und der Altersunteschied von 20 Jahren zwischen den Ehepartnern deutet auf eine „arrangierte“ Ehe hin, wie sie um 1900 im Großbürgertum und auch der Aristokratie weitverbreitet war.
Die Textilfirma Hermann Pollak’s Söhne wurde von Hermann (Isak Hirsch) Pollak (1807-1881) gegründet und von seinen Söhnen Leopold (1839-1922) und Berhard (1847-1911) Pollak weitergeführt und erweitert. Berhard’s Sohn Dr. Bruno Pollak, sowie Leopold’s Söhne Felix, Friedrich Edwin, Leopold (Leo), sowie Dr. Otto Pollak (der mit Hilda von Auersperg verheiratet war, s. deren Adams Portrait) traten ebenso ins Unternehmen ein und waren Gesellschafter der sehr erfolgreichen Firma. Erwähnenswert ist ferner Leopold’s (Sen.) Tochter Gisela, verh. Baronin Groedel, die 1908 ebenfalls von Adams portraitiert wurde. 1910 versteuerten die 6 Mitglieder der Pollak Familie ohne Otto rund 2.2 Millionen Kronen Einkommen, Friedrich Edwin rund 155,000 Kronen, was sie alle zu Millionären machte (Sandgruber, 2013, S. 415-416. Sandgruber taxiert Millionäre ab einen Einkommen von 100,000 Kronen jährlich. Zum Vergleich: ein Fach/Industriearbeiter verdiente rund 1,000 Kronen jährlich, landwirtschaftliche Arbeiter und Hausangestellte verdienten weniger als 200 Kronen jährlich.) Auf Grund der wirtschaftlichen Erfolges und substanzieller karitativer Spenden wurden die Brüder Berhard und Leopold nobilitiert. Berhard 1907, Leopold 1903 mit dem Titel „Edler von Parnegg“, der 1918 zu „Freiherr von Parnegg“ erhöht wurde. Die Familie Pollak war jüdisch. Leopold konvertierte jedoch zum katholischen Glauben, Bernhard hingegen nahm als Adelswappen vier Davidsterne an. Die Nobilitierung erstreckte sich auch auf Familie und Nachkommen, weswegen sich Friedrich Edwin und auch Ella als „Baron“ bzw. „Baronin“ bezeichneten, eine Hervorhebung, die auch nach Abschaffung der Adelstitel 1919 im Alltag weiter verwendet wurde, weswegen auch das 1924 entstandene Portrait Ella’s von Adams als „Baronin Ella Parnegg“ ausgestellt wurde. Friedrich Edwin nahm aber 1923 offiziell den Namen „Parnegg“ an (Prag, 17. Oktober 1923 Akt B215/ai 225461), wohl auch um den als jüdisch konnotierten Namen Pollak abzulegen.
Friedrich und Ella Parnegg lebten großteils in Wien in einer repräsentativen Wohnung in der Weihburggasse 30, auf ihren Gut in Siegenfeld, bzw. auf Reisen (Ella vor allem oftmals im feudalen Südbahnhotel am Semmering). Die Ehe wurde 1923 und 1925 mit Nachwuchs gesegnet: Sohn Leopold/Poldi (Victor Maria) 1923 und Sohn Hermann (Johannes Friedrich) 1925 (beide verstarben 2003 in den USA), Ereignisse die die stolzen Eltern mehrmals mit Photos in der Presse veröffentlichen liessen. Höhepunkt der Publicity war 1926, wo das gegenständliche Adams Portrait von Ella auf der Titelseite des Wiener Salonblatts (7.3.1926 S.1) veröffentlicht wurde (s. Querverweise). Ella nahm an zahlreichen gesellschaftlichen Veranstaltungen teil, vor allem im Netzwerk der ungarischen Diaspora in Wien. Ihre spektakulären Roben am „Ungarnball“ (eine karatitaive Veranstaltung der St. Stefan Gesellschaft in den Räumen der ungarischen Botschaft in Wien) oder beim traditionellen Derby (die Familie Pollak von Parnegg hielt auch Rennpferde) wurden regelmässig in der Presse besprochen, wie z.B. ihr Gold-Lamee-Kleid in dem sie Adams auch portraitierte. Dieser auch nach Ende der Monarchie weiter aufrecht erhaltene „High Society“ Lebensstil, fand am 17.3.1930 ein jähes (wenn auch kurzzeitiges) Ende. Friedrich Edwin beging Selbstmord in dem er sich in seinem Bureau erschoss. Die Gründe dafür bleiben ein Mysterium. Die Presse berichtet von Spielschulden, bzw. von Problemen mit den Banken, aber wirtschaftliche Probleme der Firma waren eigentlich nicht vorhanden was den Selbstmord umso rästelhafter macht. 1932 beging auch Friedrich’s Bruder Felix spektakulär im Wiener Urnenhein Selbstmord; auch diesmal gab es keine offenkundige familiäre oder wirtschaftliche Gründe (Sandgruber, 2013:416).
Nach einer angemessen Zeit der Trauer und Rückzug vom gesellschaftlichen Leben, nahm Ella nach 1932 wieder ihr mondänes Leben auf. Eine Pressemeldung vom 13.9.1932 (Wiener Sonntags und Montagsblatt S.8) berichtet von einer neuen Beziehung mit dem ungarischen Autor, Film-Drehbuchautor und Journalisten Ladislaus (László) Fodor (1898-1978). In den Worten des Presseartikels: „eine Verbindung eines der interesanntesten Männer Wiens mit einer der schönsten Frauen“, eine Verbindung die zu einem unbekannten Zeitpunkt (wohl ca. 1946- 1949 in den USA) auch zur Ehe zwischen Ella und Ladislaus Fodor führte (es war seine dritte). 1938 brachte mit dem sog. „Anschluss“, d.h. der Auslöschung Österreichs, eine dramatische Wende. Ladislaus Fodor musste, da jüdisch, über Frankreich in die USA emigrieren. Ella und ihre Kinder verblieben in Wien. 1940 übersiedelte Ella in eine neue (großbürgerliche) Wohnung in Wien Zedlitzgasse 8, ab 1941 legt sie Wert, in ihrem Eintrag im Lehmann Adressbuch den Titel „Baronin“ hervorzuheben, wohl auch um anti-semitische Anfeindungen auf Grund ihres Namens zu begegnen (das „Pollak“ im Namen der Parneggs war keineswegs vergessen).
Wohl nach Kriegsende (Zeitpunkt unbekannt) emigrierte Ella in die USA, die Söhne folgten: Hermann im Juli 1946 (US Staatsbürgerschaft 1949), Leopold/Poldi 1948 (US Staatsbürgerschaft 1952). Ella und Ladislaus Fodor lebten in Los Angeles. Ella arbeitete als Sekretärin, Ladislaus aus Drehbuchautor in Hollywood. In den 1950er Jahren übersiedelte Ladislaus Fodor nach Deutschland, wo er im Filmwesen tätig war. Er kehrte aber zu einem späteren Zeitpunkt in die USA und zu Ella zurück. Ladislaus verstarb 1978 in Los Angeles, Ella ebendort am 7.9.1981 (eine abweichende Quelle gibt den 9.9.1981 an). Sie sind vereint in ihrem gemeinsamen Grab im „Holywood Forever“ Friedhof (Garden of Memory). Ihr Leben umspannte zwei Kontinente von Zentraleuropa nach Nordamerika, ausgelöst durch die Katastrophe der Zweiten Weltkrieges und der Shoa.
Das Portrait der Baronin Ella Parnegg ist eines der gelungendsten Spätwerke von Adams. Die konsequente Anwendung des von Whistler inspirierten Ton-in-Ton Prinzips, im vorliegenden Fall verschiedene Grautöne, die nur durch wenige Farbakzente (grün, gold) belebt werden, ergibt ein charismatisches Portrait, das sowohl die charaktervolle Schönheit der Dargestellten als auch ihre Inszenierung im Stile der „roaring twenties“ gelungen kombiniert. Die Familie lies offensichtlich Farbpostkarten des Portraits anfertigen und wie die Widmung der Dargestellten an den Künstler („In dankbarer Erinnerung dem großen Meister Ella P.“) zeigt, war offensichtlich hochzufrieden mit dem Portrait. Das Bild verblieb im Besitz der Portraitierten, verblieb aber bei ihrer Ausreise in die USA zunächst weiterhin in Wien und möglicherweise in fremden Besitz. 1965 wurde das Bild von der Kunsthandlung Kurt Kalb im Auftrag von Hermann Parnegg, dem Sohn der Dargestellten, nach Albuquerque in die USA mit Erlaubnis seitens des Bundesdenkmalamtes exportiert (BDA Zl. 4195/65). Dieser Export wurde ausdrücklich nicht als Privatexport deklariert, was bedeuden könnte, dass das Portrait von der Familie aus unbekannten Fremdbesitz zurückgekauft wurde, oder auch einfach die Kunsthandlung den Transport und die Behördenwege (Ausfuhransuchen) für die Famile erledigte. Nach dem Tod von Hermann Parnegg im Jahre 2003 ging das Portrait zu einem unbekannten Zeitpunkt in eine Privatsammlung in den USA, die von den Nachfahren nicht identifiziert werden konnte (oder die die Information nicht weitergegeben wollten). Es ist bedauerlich, dass somit das Portrait seines Familienbezugs verlustig ging und nun lediglich als dekorative Kunst das Heim des/der neuen Besitzers/in schmückt. Zweck dieses Werkskataloges ist es, die Kunst und die Biographien und das gesellschaftliche Umfeld in dem das Werk entstanden ist, wieder zusammen zu führen.
Verwendete Quellen:
Ursprung der Kövér de Gyergyószentmiklós Familie: freundliche Mitteilung von Attila Kálmán basierend auf ungarischen Archivquellen.
Roman Sandgruber, Traumzeit für Millionäre, Styria, Wien, 2013, 495 pp
ANNO Austrian Newspapers Archive Online https://anno.onb.ac.at/
US immigration and death records via FamilySearch https://www.familysearch.org/en/
Querverweise
Das Portrait am cover des Wiener Salonblatts 1926.
Portrait Gisela Groedel 1908 (Schwägerin, verschollen).
Portrait Hilda Auserperg 1924 (Schwägerin).
Ausgestellt
1924 Künstlerhaus Wien, XLV. Jahresausstellung #398 (KH EL 72 1924/25 #2306)
Literatur
APH, Werksverzeichnis JQA 1995, S. 186, Kat.#153, keine Abb.
Provenienz
Die Dargestellte,
und ihre Familiennachkommen,
Privatbesitz USA.
Nach 2003 an unbekannte Person übergeben.
Unbekannter Privatbesitz, USA.