John Quincy Adams, Werkschau John Quincy Adams, Bilder von John Quincy Adams

Marizza von Liechtenstein 1923

¾ Portrait sitzend, in leichter Schrägansicht, den Oberkörper zum Betrachter gewendet, den Blick in die Ferne gerichtet. In legerer Sitzpose, wobei ihr linker, auf dem Sofa aufliegender Unterschenkel unter ihrem rechten Fuß gestreckt ist. Ihr linker Arm ruht auf der Lehne des Sofas, ihr rechter Arm auf ihrem Oberschenkel, die Finger der linken Hand umfassen eine lange Perlenkette. Die Portraitierte trägt ein beiges Seidenkleid mit weitem Ausschnitt, über ihren linken Oberkörper einen taubenblauen Überwurf, an beiden Ringfingern schmale Ringe, um ihr rechtes Handgelenk, einen schmalen Goldreif. Die brünetten Haare sind kurz gehalten und gewellt. Der Bildhintergrund ist flächig gestaltet, eine weite Landschaft andeutend.

JQAW# P_1923_030
Öl auf Leinwand 130 x 89 cm
Signatur: John Quincy Ɑdams 1923
Privatbesitz Frankreich.
Abbildung: zusammengesetzt aus Privatphotos und S/W Reproduktion aus 1925.

Mária Gabrielle „Marizza“ (Maritza/Mariza) von und zu Liechtenstein, geb. Gräfin Andrássy, 7.12.1886 Budapest bis 14.12.1961 Wien.
Marizza Andrássy wurde in das bekannte ungarische Magnatengeschlecht der Andrássy, das eine große Anzahl bedeutender Staatsmänner hervorbrachte (unter anderem den letzten Außenminister der Monarchie), geboren. Sie verbrachte ihre Jugend in auf dem Stammsitz der Andrássy Schloss Betlér (Ungarn, jetzt Betliar, Slowakei) sowie in Budapest. 1906 wird ihre Verlobung mit Prinz Johannes von Liechtenstein (1873-1959) bekannt gegeben, die Hochzeit findet am 6. September 1906 in der Universitätskirche in Budapest statt. Hochzeitsgeschenk ihres Vaters war Schloss und Gut Nový Vítkovec (Neuschloß) in Zahrádky u České Lípy (Neugarten, heute Tschechien). 1907 wird Sohn Alfed Géza (s. dessen Adams Portrait), 1908 Sohn Emanuel, 1910 Sohn Johannes, und 1911 Sohn Constantin geboren. Durch die Marineoffizierslaufbahn ihres Gatten ständiger Wohnsitzwechsel zwischen den Adriahäfen der k.u.k. Marine, Budapest, Betlér/Betliar, sowie fallweise auch Wien. Nach Ende des Ersten Weltkrieges Hauptwohnsitz in Wien (zuerst im Palais in der Löwelstrasse, ab 1924 dann in Schloss Liechtenstein bei Mödling) und rege Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und Organisation karitativer Veranstaltungen (Bälle, Weihnachtsfeiern, Berlioz Requiem im Stephansdom), dazwischen zahlreiche Reisen. Durch ihre Lebenslust und Prominenz wird über Marizza Liechtenstein in der Wiener Presse oftmals berichtet. Zweimal ziert sie das Titelblatt von Zeitschriften (Wiener Salonblatt 28.6.1919 und 7.9.1934). Beispiele der umtriebigen sozialen Aktivitäten der Marizza Liechtenstein seien fürs Jahr 1930 angeführt: Teilnahme an der österreichischen Golfmeisterschaft in Wien, sowie mit Gatten Johannes am Concours d’Elegance vor Schloss Schönbrunn, wo das Ehepaar zwei Preise (goldene Bänder) für ihre Austro-Daimler Automobile (Cabriolet und Limousine) erhielt (Preisrichter war neben Graf Ulrich Kinsky, s. dessen Portrait, auch John Quincy Adams), Teilnahme an der Konkurrenz „Die Dame und ihr Hund“ mit ihrem Pekinesen Wang-Li-Tu, sowie Organisation eines Parkfestes im Garten des Theresianums, wo sie als Kaiserin Maria Theresia in der Original-Kutsche der Kaiserin auftritt, einen Auftritt, den sie 1935 in Budapest wiederholt. Mit der zunehmend ernster werdenden politischen Situation in Österreich verlagert sich der Lebensmittelpunkt des Ehepaares um 1934 nach Budapest, wo Marizza die amerikanische Cocktail-Party einführt. 1936 überschreibt sie den Besitz in Neugarten an ihren Sohn Emanuel (der Besitz wird 1945 enteignet). Das glamouröse Gesellschaftsleben kommt mit dem Kriege und den Verlust großer Besitzungen in Ungarn und der Tschechischen Republik nach dem Kriege zum Erliegen. 1956 konnte das Ehepaar auf Schloss Hollenegg noch ihre goldene Hochzeit gemeinsam mit der Familie feiern. Marizza stirbt 1961 bald nach ihrem Gatten (1959) und wird in der Liechtenstein‘schen Fürstengruft in Vaduz beigesetzt.

Das 1923 entstandene Portrait der Marizza von Liechtenstein ist ein Beispiel der Spätphase des Künstlers, wobei die Portraitierte in ungezwungener, legerer Haltung und vergleichsweise weniger glamourös wie ihre Verwandte Kátinka Gräfin Karoly, geb. Andrássy, die 1918 (s. Querverweise) von Adams portraitiert wurde, dargestellt ist. Es fehlen auch jegliche Accessoires wie Inneneinrichtung oder ein gestalteter Bildhintergrund, was dem Portrait seinen modernen Charakter verleiht und auf spätere Bildnisse (wie des Fürsten Alexander Dietrichstein aus 1927) verweist. Gleichzeitig mit dem Portrait fertigte Adams auch eine starke Kopfportraitstudie des jugendlichen Sohnes Alfred Géza an (s. Querverweise). Bemerkenswert ist, dass Adams das Portrait trotz der Prominenz der Dargestellten nicht im Wiener Künstlerhaus ausgestellt hat. Das Bildnis wurde aber trotzdem zeitnah von der Presse im Künstlerportrait „Der Maler schöner Frauen“ (Sport im Bild 1925 Band 15, S.984) publiziert. Das Portrait ist wohl im Zuge der gesellschaftlichen Verbindungen zwischen dem Künstler und der Portraitierten, die beide in denselben Wiener Kreisen der ehemaligen Hocharistokratie sowie der Künstler und Sportbegeisterten verkehrten. Als Ungarin war Marizza von Liechtenstein zweifelsohne mit der ungarischen Künstlerkolonie in Wien gut bekannt, ebenso wie Adams (wie ein Albumblatt mit Unterschriften von Künstlern wie Emmerich Kálmán, Franz Lehár, Maria Jeritza, Selma Kurz, Arthur Schnitzler, Hugo von Hoffmannsthal, sowie die Maler Angeli, Schmutzer, Darnaut und auch John Quincy Adams unter anderen aus ca. 1925 beweist). Fischer (2020) vermutet, dass die Portraitierte Namensgebende für die Operette Gräfin Mariza von Emmerich Kálmán (Uraufführung 1924) war, eine Vermutung die sich in historischen Quellen nicht bestätigen lässt. Vorbilder der Personen der Operette waren vielmehr Personen aus der Familie von Kálmán, vor allem seine Schwestern Ilonka und Milike, die beide Opfer der Shoa wurden.

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