Marianne Placzek 1929
Halbportrait stehend in Schrägansicht von links, das Haupt in Profilansicht nach rechts blickend, die Hände ineinander verschränkt vor dem Körper haltend. Die Dargestellte trägt kurzes gewelltes dunkelbraunes Haar, ein rosa Seidenkleid und darüber einen dunkelrosa Mantel mit braunem Pelzkragen und Pelzverbrämungen an den Ärmeln und eine einreihige Perlenkette. Hintergund abstrakt mit braun-grau verlaufenden Farbton, auf dem sich der Schatten der Portraitierten abzeichnet.
JQAW# P_1929_160
Öl auf Leinwand 126 x 84 cm
Signatur: John Quincy Ɑdams 1929
Jüdisches Museum in Prag Inv.Nr. 082.781
Marianne Placzek (Mariana Placzková), geb. Pollak, 14.6.1882 Brno (CZ/SK) bis 22.10.1944 (10.4.1945) Auschwitz/Oswiecim (PL), Shoa.
Marianne wurde 1882 in Brünn/Brno als Tochter des Advokaten Dr. Emil Pollack (1851-1923) und der Julie P., geb. Ullmann (1857-1933) geboren. Sie hatte eine jüngere Schwester Else (verh. Bondi/Bondy, 1878-1942) und wuchs in einer gut-/groß-bürgerlichen jüdischen Familie auf. Am 25.6.1904 ehelichte sie Alfred Placzek (1870-1942), dem Sohn des Landesrabbiners Baruch Placeck (1834-1922) und der Caroline P., geb. Löw-Beer (1844-1914). Die Ehe war mit drei Kindern gesegnet: Georg (1905-1955), Friedrich/Fritz (1906-1939) und Tochter Edith (1918-1942).
Alfred Placek, der im Textilgewerbe tätig war, wurde 1904 Teilhaber und Prokurist der Firma Skene & Co, die Textilien herstellte. Alfred modernisierte und expandierte die Firma, die 1914 in eine AG umgewandelt wurde und 1920 in seinem Alleinbesitz überging. 1927 wurde die Firma in eine KG umgewandelt, in der Alfred und Sohn Fritz sowie Marianne Anteile innehatten. Um 1930 hatte die Firma rund 500 Beschäftigte. Marianne lebte mit der Familie in einer Villa in Brünn (Kuonicova 18) sowie in einem Palais an Rande der Skene Fabrik in Alexovice nahe Brünn. Die Familie war gut situiert, was den Kindern eine ausgezeichnete Ausbildung ermöglichte und war auch stark karitativ engagiert. In Anerkennung ihrer karitativen Tätigkeiten wurden Marianne und Alfred 1922 zu Ehrenbürgern von Alexovice ernannt. Wohl als Ausdruck des sozialen Status der Familie wurde 1929 das vorliegende Adams Portrait in Auftrag gegeben. Das Honorar betrug wahrscheinlich rund 6000 Schilling (wie aus einer 1927 von Adams ans Wiener Künstlerhaus kommunizierten Preisliste hervorgeht), nach heutigem Geldwert rund 30,000 Euro, also eine bedeutende Summe, die der Künstler wohl gut für seinen ersten Aufenthalt in den USA 1929 (Portraitaufträge in Yale, Pittsburgh und Washington) gebrauchen konnte.
Das Schicksal der Familie Placzek nahm mit dem Erstarken der Nationalsozialisten in Deutschland eine Wende zum Tragischen. Im Münchner Abkommen musste die Tschechoslowakei die deutschsprachigen Sudetengebiete 1938 an das Deutsche Reich abtreten. Im Frühjahr 1939 wurde auch die Rest-Tschechoslowakei von deutschen Truppen besetzt und in ein Protektorat umgewandelt. Die rassische Verfolgung der jüdischen Bevölkerung setzte unmittelbar ein. Sohn Fritz ging mit seiner schwangeren Frau nach England ins Exil, kehrte aber im März 1939 nach Brünn zurück, um seine Eltern zur Ausreise zu überreden, die diese aber ablehnten. Nach einem Konflikt mit deutschen Managern in der Fabrik in Alexovice beging Fritz Selbstmord (Gerüchte sprachen auch von einer Beteiligung der GESTAPO). Danach übersiedelte die Familie (und das Adams Portrait) nach Prag. Versuche zur Ausreise scheiterten. Die Familie wurde später in Sammlungswohnungen zwangsumquartiert und danach deportiert. (Das Adams Portrait wurde von der Prager Wohnung zur Verwertung in die jüdische Treuhandstelle verbracht, verblieb dort bis Kriegsende und wurde dann dem jüdischen Museum Prag überantwortet).
Tochter Edith (Edita Placzeková) wurde am 30.11.1941 mit Transport H #594 nach Theresienstadt/Terzín und von dort am 15.5.1942 mit Transport P #999 nach Riga deportiert und dort ermordet. Marianne und Alfred wurden mit Transport Au1 585 am 15.5.1942 nach Theresienstadt/Terzín deportiert. Alfred starb dort am 23.11.1942 laut Totenbefund an „Melancholia Gravis“ und einhergehenden „Körperverfall“, d. h. durch Hunger und als gebrochener Mann. Marianne überlebte und wurde am 12.10.1944 mit Transport Eq #1126 nach Auschwitz/Oswiecim deportiert, ein Datum, was auch allgemein (Geni, holocaust.cz) als ihr Todesdatum angesehen wird. Eine alternative Quelle (Makarova/Makarov, 2016 S.124-127, aber ohne dokumentarischem Beleg) gibt an, dass Marianne auch Auschwitz überlebt hat und erst auf einem der Todesmärsche bei der Evakuierung des KZ vor den herannahenden russischen Truppen am 10.4.1945 umkam. Ihr Überleben angesichts des langen Leidens in verschiedenen KZ Lagern zeigt, dass sie eine sehr starke Frau gewesen sein muss. Die Shoa bedeutete das fast völlige Auslöschen der Familie: Marianne, Alfred, Fritz, Edith und auch Mariannes Schwester Else Bondi kamen alle um. Lediglich Mariannes Sohn Georg, der als Kernphysiker seit 1928 im Ausland weilte und 1938 bei Niels Bohr in Dänemark arbeitete und von diesem 1939 nach Princeton geschickt wurde, überlebte. Georg Placzek war später auch Mitglied des Manhattan-Projektes zur Entwicklung der Atombombe. Er starb 1955 in Zürich während einer Vortragsreise offiziell an Herzversagen, aber wahrscheinlich durch Selbstmord.
Querverweise
Ausgestellt
Literatur
Provenienz
1929-1942 Familie Placzek Brno und Prag.
1942 Werk beschlagnahmt und
in der Treuhandstelle Prag deponiert.
Seit 1945 Jüdisches Museum in Prag Inv.Nr. 082.781.