Ganzkörperportrait in Schrägansicht einer auf einem Stuhl sitzenden jungen Dame, das Haupt von ihrer linken Hand gestützt, den Blick nachdenklich nach rechts in die Ferne gerichtet. In ihrer rechten Hand ein Brief, dessen Umschlag auf den Boden gefallen ist. Sie trägt ein weites, grünes seidenes Taft-Kleid, das bis zum Boden fällt, an eine Krinoline erinnernd, darüber eine kurze schwarze Jacke, um den Kopf, ein gelbes Kopftuch, das am Hinterkopf zusammengebunden ist. Hinter der Dargestellten ist eine weiße, geöffnete Doppelflügeltüre sichtbar, im rechten Bildhintergrund ist ein Kabinettschrank angedeutet, darauf eine zierliche Standuhr, darüber ein ovales Bild an der Wand.
Dieses Stimmungsbild wurde vom 20.2. bis 31.3. 1915 in der Ausstellung des Aquarellistenclubs im Wiener Künstlerhaus ausgestellt (s. Querverweise), zu einer Zeit wo Adams zwischen Frontaufenthalten als Kriegsmaler in Galizien wohl in Wien weilte. Es ist möglich, dass der Künstler die Auswirkungen des Krieges auf die Daheimgebliebenen, mit denen ein Kontakt nur per Feldpost möglich war, in diesem Bild illustrieren wollte. Durch die kriegsbedingte Abwesenheit sind für 1915 keine Adams Portraits ziviler Personen dokumentiert, der Künstler hat im vorliegenden Bild also wohl auf eine Person aus seinem Bekanntenkreis oder ein Modell zurückgegriffen, und das Bildnis lediglich als „Portrait“ bezeichnet (KH EL 59 1914/15 #128), die Identität der Dargestellten also nicht preisgegeben. Die Dargestellte ähnelt aber auffallend der Person, die Adams bei seinem Fächerblatt für den Concordiaball 1907 dargestellt hat (s. Querverweise), was auf eine langfristige Bekanntschaft zwischen Modell und Künstler hinweist. Möglicherweise hat Adams auch auf ein bereits früher begonnenes Portrait zurückgegriffen und es erst im Jänner 1915 für die Ausstellung vollendet (die "5" in der Datierung 1915 erscheint nachträglich korrigiert zu sein).
Die Provenienz des Bildes ist ebenso geheimnisvoll. Es ist im Adams Artikel von Margarethe Poch-Kalous (1915-1974), der Direktorin der Gemäldegalerie der Akademie, der posthum 1975 erschien als einziges Bild aus Privatbesitz (Wien) neben Werken aus öffentlichen Sammlungen abgebildet, was zur Hypothese verleitet, dass Poch-Kalous selbst die Besitzerin war. Später gelangte es in den Besitz der Tochter des Künstlers Gräfin Harriet Walderdorff, Salzburg (1905-1999). (Die beiden Damen waren seit ihrer Jugendzeit befreundet.) Im Dezember 1982 stiftete Gräfin Walderdorff das Bild der Gemäldegalerie der Akademie, von der es zur 1986 Adams Ausstellung (#28) als Leihgabe zur Verfügung gestellt wurde.
Ausgestellt
1915 Künstlerhaus Wien No.20 (EL 59 1914/15 #128).
1986 Akademie Schillerplatz Wien, Wiener Gesellschaft im Portrait, Katalog Nr. 28.
Literatur
APH, Werksverzeichnis JQA 1995, S. 122, Kat.#90 Abb.#63
Schaffer/Eisenburger 1986, Ausstellungskatalog #28 (ohne Abb.).
Margarethe Poch Kalus, 1975, John Quincy Adams – ein vergessener Wiener Maler, Alte und Moderne Kunst 128:33-35.
Provenienz
Unbekannte Privatsammlung Wien.
ca. 1980 an Harriet Gräfin Walderdorff, Salzburg, Tochter des Künstlers.
1982 (Dezember) Geschenk Harriet Gräfin Walderdorff an Gemäldegalerie Akademie Schillerplatz, Wien.
Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien GG-1503.