¾ Portrait in sitzender Haltung, die Beine übereinandergeschlagen, in Schrägansicht von rechts, den Kopf und Blick dem Betrachter zugewendet. Der Dargestellte trägt einen schwarzen Anzug mit Krawatte und sitzt in einem olivgrünen Club-Sessel, die Arme auf den Lehnen ruhend. Er hat auf der Stirne sich lichtendes Haupthaar und trägt einen Schnauzbart. Bildhintergrund: Links ein angedeuteter Bücherschrank, rechts ein Schreibtisch, darauf eine reich verzierte Kassette, ein Telefon, drei Briefumschläge, eine silberne Schreibtischlampe mit Glasperlenfransen am Schirm sowie ein ovales Miniaturportrait einer Dame in einem viereckigen Rahmen, dahinter eine braune Wand, an der ein angedeutetes Bild teilweise sichtbar ist.
Ernst Regenhart 07.04.1849 Wien bis 5.4.1920, Breslau (Wrocław, PL); Mitinhaber und Geschäftsführer der Firma Regenhart & Raymann Wien, dem führenden Tischwäscheerzeuger und Hoflieferanten der Monarchie.
Die Regenharts sind eine Kaufmannsdynastie, die von dem aus Bayern eingewanderten Johann Jakob R., der sich 1774 in Perchtoldsdorf niederließ, abstammt. Ernst Regenhart wurde als Sohn von Alois (II) Regenhart in Wien geboren. Ernst R. Großvater (Alois I) und Großonkel (Jakob) hatten 1819 mit Adolf Raymann in Freiwaldau (Jeseník, CZ) eine Gesellschaft für Leinwandproduktion gegründet. 1845 wurde der Firma das Recht, den Kaiserlichen Adler zu verwenden und der Titel „k.k. privilegierte“ verliehen. Der Vertrieb erfolgte in Wien durch die Regenharts. Ernst Regenhart trat 1870 nach Studien in Deutschland und England in die Firma ein und übernahm 1871 die Leitung des Wiener Hauses. 1873 wurden die beiden Zweige unter dem Namen Regenhart & Raymann vereinigt. Sein jüngerer Bruder Alois (III) übernahm nach dem Tod von Adolf Raymann Junior die Produktion in Freiwaldau. Die beiden Brüder führten das Unternehmen um die Jahrhundertwende zur Blüte mit 2500 Arbeitskräften. 1914 gab es 900 mechanische Webstühle. Der Hauptumsatz wurde mit Tischwäsche erzeugt, die an den österreichischen Kaiserhof und viele weitere wohlsituierte Häuser gingen. Ernst Regenhart ist es durch ausgedehnte Reisetätigkeit und der Etablierung eines großen Vertreternetzes gelungen, einen weltweiten Vertrieb auf allen fünf Kontinenten aufzubauen. Er war auch bestimmend in der Auswahl der Dessins. Das kam durch den Ersten Weltkrieg zu einem Ende. Ernst heiratete am 12.4.1882 in Wien-Hietzing Louise Isbary, die ihm den Sohn Erwin schenkte, der das Unternehmen zusammen mit seinem Cousin Oskar durch die schwierige Zeit nach dem Ersten Weltkrieg führte. Ernst und Louise bauten in Freiwaldau die Bergvilla als Wohnsitz, die heute das Hotel „Regenhart“ beherbergt. Er wurde 1910 als der 238. reichste Wiener mit einem jährlichen Einkommen von 268.000 Kronen gelistet (Roman Sandgruber, 2013). Ernst Regenhart starb am 5.4.1920 nach kurzer, schwerer Krankheit in Breslau. Er wurde in Freiwaldau beerdigt. Seine Frau folgte ihm am 9.8.1934.
Das Portrait des erfolgreichen Geschäftsmanns Ernst Regenhart wurde von Adams 1907 angefertigt. Anlass war das 25-jährige Hochzeitsjubiläum von Ernst und Luise Regenhart, auf die wohl in der ovalen Miniatur am Schreibtisch verwiesen wird. Ernst Regenhart setzte somit eine Familientradition fort: Bereits sein Großonkel Jakob Regenhart lies sich und seine Gattin Anna 1852/1853 von Anton Einsle portraitieren, Werke, die sich jetzt im Belvedere Wien befinden (Ankauf 1963 von den Perchtoldsdorfer Familiennachkommen der Regenharts). Das Portrait Ernst Regenhart weist einige besondere Merkmale auf, insbesondere die Ansicht von rechts, die bei Adams Portraits eher selten ist, und der detailreiche Bildhintergrund, der dem im Portrait Max Friedmann 1908 ident ist (s. Querverweise). Das Bild wurde 1907 im Wiener Künstlerhaus öffentlich ausgestellt (KH EL 1907/08 #1914) und war mit 4000 Kronen versichert. Das Ehepaar Regenhart hat zur Feier ihrer silbernen Hochzeit ebenso eine großzügige Spende von 40,000 Kronen zur Errichtung einer sozialen Einrichtung in Freiwaldau (Der Bautechniker 1907, S. 1023) getätigt; 1912 wurde dann das neuerbaute Waisenhaus von Luise Regenhart eröffnet (Der Bautechniker 1912, S. 894). Die Familie Regenhart wurde nach 1945 enteignet und vertrieben. Das Bild, das sich in der Familienresidentz Bergvilla befand, wurde zurückgelassen und befindet sich jetzt im Heimatmuseum Freiwaldau (Vlastivědné muzeum Jesenicka), allerdings nicht in der permanenten Ausstellung. Der Rahmen des Bildes ist allerdings nicht der Originalrahmen der 1907 Ausstellung im Künstlerhaus; dieser (mit dem Ernst Regenhart Ausstellungskleber) befindet sich aus ungeklärten Gründen an einem Hochformat Damenportrait von Adams, ebenfalls aus 1907, das 2021 im online Kunsthandel in den USA angeboten wird. Beide Rahmen sind gleich, der Jeseník Rahmen hat lediglich zwei Eckornamente verloren.
Katalogeintrag Biographie: Peter Schenk; Andere: der Herausgeber (AG).
.
Querverweise
Max Friedmann 1908Ausgestellt
1907 Künstlerhaus Wien (EL 1907/08 #1914).
2019 Regenhart & Raymann Ausstellung, Vlastivědné muzeum Jesenicka, CZ.
Literatur
Provenienz
1907-1920, der Dargestellte.
1920-1945, seine Familiennachkommen Freiwaldau/Jeseník, CZ.
Nach 1945 enteignet.
Vlastivědné muzeum Jesenicka HJE 16398.