Ein Mann sitzt in einem mit einem Brokatstoff überzogenen, an den Beinen reich geschnitzten Lehnsessel in der Hand eine schwarze Frauenplastik auf Sockel, deren Figur er mit der eines nackten Modells, das an einem Marmorkamin in Standbein-Spielbein Pose steht, vergleicht. Das Modell hat seine linke Hand an die Hüfte gestemmt, die rechte Hand ist mit dem Ellenbogen am Kaminsims abgestützt, der Unterarm erhoben, der Blick auf den Mann gerichtet. Der Mann trägt einen schwarzen Anzug und ebensolche Krawatte; die Beine sind übereinandergeschlagen, an den Schuhen sind graue Gamaschen sichtbar. Sein Haar ist kurz mit einem stark gezogenen Scheitel. Neben dem Lehnsessel lehnt eine große Zeichenmappe. An der Wand ein Tischchen, auf dem sich eine an die Wand gelehnte Zeichnung befindet. Am Boden ein Perserteppich, an der Wand ein Landschaftsgobelin auf dem ein Baum sichtbar ist. Auf dem Kaminsims befindet sich eine große, an ein Aquarium erinnernde Glasvase.
Dieses ironische Bild könnte auch „Der Besuch im Atelier“ heißen, da es offensichtlich die weitverbreitete Praxis illustriert, dass Ehemänner Portraitsitzungen ihrer Gattinnen im Atelier aus Neugierde oder Eifersucht (oder auch beidem) beiwohnen. Der links im Bild befindliche Marmorkamin identifiziert den Ort des Geschehens als Adams‘ Atelier in der Theresianumgasse. Der kunstinteressierter Amateur vergleicht im gegenständlichen Bild eine kleine Frauenplastik mit einem nackten Modell, das wohl einem im Entstehung begriffenen Aktbild als Vorbild dient. Ein solcher Vergleich ist aber durch die völlig unterschiedliche Körperhaltung und auch der verschiedenen Größenverhältnisse praktisch nicht sinnvoll und dient wohl nur, die lüsterne Betrachtung des nackten Modells hinter angeblichem Kunstinteresse zu verbergen. Diese ironische Kritik hat Adams in einer für ihn ungewöhnlichen Komposition verpackt: Das Bild ist voll mit dekorativen Gegenständen (im Gegensatz zu seinen sonstigen Werken, wo der Bildhintergrund eher karg ist) und durch eine Serie von starken Kontrasten charakterisiert: Nacktheit des Modells – formeller Anzug des Betrachters; Helle des Modells – Schwärze der Plastik; lichte Farben des Kamins – dunkle Farben des Lehnsessels - ein Gegensatz, der sich auch im Teppichmotiv wiederholt. Obwohl eine statische Momentaufnahme, gewinnt das Bild durch die sorgfältig komponierte Darstellung entlang einer diagonalen Bildachse (Modell-Statue-Betrachter) dennoch eine lebhafte Dynamik. Da das Bild zur öffentlichen Ausstellung bestimmt war, sind die Dargestellten mit Sicherheit frei erfunden und entsprechen keinen realen Personen. Auch das Modell gemahnt eher an eine kühle antike Plastik als an eine Frau aus Fleisch und Blut.
Das Bild ist seit seiner Ausstellung im Wiener Künstlerhaus im 1914 (39. Jahresausstellung #24) verschollen. Der Titel des Bildes „Der Amateur“ ist auch im Künstlerhaus Kontext zu sehen. Die formelle Mitgliedschaft im Künstlerhaus war Künstlern, die im Vollerwerb von ihrer Kunst lebten, vorbehalten, was sowohl für männliche als auch weibliche KünstlerInnen (wie etwa Tina Blau) galt, die aber durch diese Regelung als Mitglieder im Künstlerhaus stark unterrepräsentiert waren. Amateure hingegen konnten als Mitglieder des Aquarellisten-Klubs mit Künstlerhausmitgliedern in Austausch treten. Adams war sowohl formelles Mitglied des Künstlerhauses (seit 1902) als auch Mitglied des Aquarellisten-Klubs. Das Bild ist durch zwei Photos des Ausstellungsraums im Künstlerhaus und von Adams‘ Atelier (s. Querverweise) sowie durch eine Abbildung in der Zeitschrift Die Kunst (vol.29 aus 1913, S.420) dokumentiert. Laut Einlaufbuch des Künstlerhauses (EL 59 1914/15 #1726) war das Bild 1914 bei der Ausstellung mit dem exorbitant hohen Vertrauenspreis von 20,000 Kronen taxiert, blieb aber (wohl wegen des in Klimt-Dimensionen liegenden extrem hohen Preises) unverkauft und wurde am 25.6.1914 an Adams retourniert. Seither fehlt vom Bild jegliche Spur aber es muss zu einem späteren Zeitpunkt in eine unbekannte Privatsammlung gelangt sein, da das Bild nicht im Nachlass des Künstlers dokumentiert ist.
Querverweise
Das Bild bei der 39. Jahresausstellung des Künstlerhauses in Wien 1914.
Das Bild im Adams Atelier in der Theresianumgasse 11 ca. 1916
Ausgestellt
1914 Künstlerhaus Wien (EL 59 1914/15 #1726).
Literatur
APH, Werksverzeichnis JQA 1995,
S. 119, Kat.#87 Abb.#61, dort als „Der Vergleich (Der Amateur)“ bezeichnet.
Provenienz
Bildnis verschollen.
Abbild: S/W Reproduktion, Die Kunst 29, 1913, S.240.