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Chaconne - Maler Prinz und Harriet Adams 1911

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Bildbeschreibung s. unten.

JQAW# P_1911_010
Öl auf Leinwand ca. 200 x 230 cm
Signaur: John Quincy Ɑdams
Privtbesitz, USA
Abbild: Reproduktion New York Graphical Society

Ein Chellospieler begleitet ein junges Mädchen bei ihrem ersten Auftritt. Der Chellospieler auf einem Holzstuhl weit vorgebeugt sitztend, den rechten Fuß nach hinten gesetzt, in dunkelgrauer Hose und dunkelbraunem Sakko. Das junge Mädchen, das den Kopf gesenkt hat, ist bereit, einen Knicks zu machen. Sie trägt ein gold-gelbes Kleid mit ebensolcher Masche im Haar. Das schulterfreie Krinolinen-Kleid ist im Ausschnitt mit weißen Spitzen eingefasst. Das Interieur umfaßt ungeordnet am Boden liegende Notenblätter, im Hintergrund links ein dunkler Vorhang, daneben sind teilweise ein Bild und ein Messing-Luster sichtbar.

Der Originaltitel des Bildes verweist auf die dargestellten Personen, der Chellospieler ist Karl Ludwig Prinz (1875-1944), Landschaftsmaler und Freund von Adams, das junge Mädchen ist Adams Tochter Harriet, spätere Gräfin Walderdorf (1905-1999). Die sorgfältig entlang einer Bilddiagonalen komponierte Darstellung, die mit ihren verhaltenen Farben, die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das gold-gelbe Kleid des Mädchens lenkt, und sie somit zum „neuen Star“ macht, ist auf breite Publikumswirkung angelegt, ebenso wie das Großformat des Bildes. Das Bild wurde bei der Künstlerhausausstellung 1911 ein großer Erfolg, speziell weil auch Kaiser Franz Josef Interesse am Bild zeigte (s.Querverweise). Rasch wurde das Bild zum meist publizierten und reproduzierten Werk von Adams und ist auch heute noch als Kunstpostkarte, Kunstdruck, und Poster verbreitet. Die amerikanische Reproduktion wurde von der New York Graphical Society in Auftrag gegeben, und ist mit „Her First Recital“ betitelt.

An der Oberfläche ist Chaconne reizvoll und spricht menschliche Emotionen an. Aber das Bild, nimmt sich unter der Oberfäche auch eine Reihe von künstlerischen Freiheiten: Es gibt keinerlei Hinweise, daß Karl Ludwig Prinz überhaupt Chello gespielt hat; der Titel Chaconne ist (als ursprünglich aus Lateinamerika nach Europa gekommener „wilder“ Tanz, ähnlich der Folia) nicht unpassend, aber die gängige Chelloliteratur, etwa Bach‘s geniale Chaconne d-Moll BWV 1004 für Solovioline die, für Chello bearbeitet, ein Highlight der Chello-Literatur darstellt, ist wohl weder für einen Laien spielbar, noch für ein kleines Mädchen tanzbar. Aber vielleicht weil auch der Betrachter ähnliche Gedanken hegt, verleitet das Bild zur Träumerei und stillt das Bedürfnis nach Darstellung häuslicher Idylle, ohne in biedermeierlichem Kitsch zu verfallen.

Für das poplärste Werk von Adams war die leider die Provenienz bis 2023 völlig ungeklärt, bis ein im Künstlerhaus Archiv in Verstoß geratener Brief der Besitzerin Erna Newton an Gräfin Harriet Walderdorff (der Tochter des Künstlers) aus 1972 wiederauftauchte und zur Klärung beitrug. Chaconne wurde erstmals bei der Künstlerhausaustellung 1911 ausgestellt und fand großen Anklang und wurde u.a. im Austellungskatalog abgebildet. Es war mit 12.000 Kronen zum Verkauf angeboten, blieb aber unverkauft. Im Jahr darauf war das Bild wiederum in Venedig und dann im Wiener Künstlerhaus ausgestellt (diesmal sogar mit 18.000 Kronen bewertet) und wurde wiederum nicht verkauft und verblieb beim Künstler. Eine Erklärung dafür ist vielleicht die (für eine Genre Bild) hohen Preisvorstellungen, die in Klimtdimensionen (10.000-30.000 Kronen, Schlögl, 2012) lagen, aber durchaus Adams „Liga“ waren. Zum Vergleich (alle Zahlen basierend auf Sandgruber 1913, S.471): der Wochenlohn eines Industriearbeiters betrug 1910 rund 18 Kronen, das Bild entsprach also 1000 Wochenlöhnen, oder dem gesamten Bruttolohn eines Arbeiters über 20 Jahre. Basierend auf heutigen Lohnniveau (600 Euro brutto/Woche), wären das 600,000 Euro. Der Standard makro-ökonomische Umrechnungsfaktor Kronen 1910 Euro 2020 beträgt zwischen 5 und 7, der Preis des Bildes 1912 wären also zwischen 90.000 und 130.000 Euro heute, ebenfalls eine beträchtliche Summe. Andererseits waren Kunstinteressierte auch bereit, sehr hohe Preise zu bezahlen. Segantini’s symbolistisches Bild „Die bösen Mütter“ wurde für 100.000 Kronen Spendergeld bei der Sezessionsausstellung 1901 angekauft und der Modernen Galerie (heutiges Belvedere) geschenkt. Der anonyme Spender für den Segantini Ankauf war übrigens Moritz Gallia, worauf sich Klimt angeblich endlich bereit erklärte, ein Portrait seiner Frau Hermine zu malen, das sich heute in London befindet, Bonyhady 2011.)

Wie aus dem Brief Erna Newtons aus 1972 hervorgeht, wurde Chaconne schließlich ca. 1914/1915 vom Malz-Industriellen Leonhard Brach (1871-1952) aus Olmütz (Olomouc CZ) direkt vom Künstler erworben. Die Verbindung kam wohl über Adams‘ Schwiegervater Moritz Sobotka (s. dessen Adams Portrait aus 1913), der in Wien Stadlau ebenfalls eine Malzfabrik betrieb, zustande. Das Bild war anfangs im Brach-Haus in Olmütz beheimatet und übersiedelte mit der Familie Leonhard Brachs 1922 nach Dresden, wo dieser die „Elbschloss Malzfabrik“ in Schönau an der Elbe (D), die die Brachs ebenso erworben hatte, als Direktor vorstand. (Die Fabrik in der Tschechoslowakei wurde von Leonhards Sohn Alfred Brach (1902-1973) geleitet.) Anfang der 1930er-Jahre expandierten die Brachs auch in die USA, wo sie die National Malting Company in Paterson, New Jersey begründeten, die eine Mälzerei betrieb, die vor allem den Exportmarkt nach Lateinamerika belieferte. Die Firma blieb bis 1982 in Familienbesitz. Nach der Machtübernahme der Nazis in Deutschland 1933 war die Familie Brach zunehmend antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt und ihre Betriebe in Deutschland sowie in der Tschechoslowakei wurden schlussendlich arisiert. Leonhard Brach und seine Gattin Luise waren die ersten der Familie, die Deutschland 1936 verließen. Über die Tschechoslowakei, Schweiz und Kuba gelangten sie endlich nach Paterson in den USA. Andere Familienmitglieder folgten teilweise auf abenteuerlichen Routen (z.b. über Moskau, Wladivostok, Japan und Kuba in die USA), wiederum andere wurden Opfer der Shoa (zwei Schwestern von Leonhard Brach, s. Hahn, 2008 und Viktořík, 2016). Durch die relative frühe Emigration konnte die Familie auch Teile ihres Hausrates in die USA ausführen, u.a. das Chaconne Bild. Es verblieb bis 1952 bei Leonhard Brach und gelangte dann im Erbgang an seine Tochter Ernestine (Erna) Brach, verh. Blum, wiederverh. Newton (1902-1974). Das Bild befindet sich weiterhin im Besitz ihrer Familiennachkommen in den USA.

Ausgestellt

1911 Künstlerhaus Wien (EL 56 1911/12 #3333).

1912 Venedig Esp. d'Arte Venezia Saal 39-40.

1912 Künstlerhaus Wien (EL 57 1912/13 #1491).

Literatur

APH, Werksverzeichnis JQA 1995, S. 101, Kat.#69 Abb.#50.
Tim Bonyhady, Good Living Street: The Fortunes of My Viennese Family, Allen & Unwin, 2012.
Roman Sandgruber, Traumzeit für Millionäre, Styria, 2013, S.471.
Michaela Schlögl, Klimt mit allen fünf Sinnen, Styria, 2012, S. 51 ff.
Hannelore Hahn, Auf dem Weg zu den Schwänen, autobiografische Erinnerungen einer Dresdner Jüdin, Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Dresden 2008.
Michael Viktořík, The story of the Moravian Jewish Brach family, Czech and Slovak Journal of Humanities Historica 2/2016: 83-98.

Provenienz

1911-1914/1915 beim Künstler.
1914/15 Ankauf durch Leonhard Brach Olmütz (CZ).
1916-1952 Leonhard Brach, Olmütz (CZ), Dresden (D) und Paterson (USA).
1952 im Erbgang an seine Tochter Erna Newton, USA.
Seit 1972 im Besitz ihrer Familiennachkommen (Sohn und Enkeltochter),
Privatsammlung USA.

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